Lorenzo Pompas großes Thema ist die Conditio humana, die mit Schrecken zu beobachtende Neigung des Menschen zu Gewalt und Entgrenzung, Rohheit und Exzess, aber auch seine Größe, sein Heroismus und seine Sehnsucht nach Schönheit. Für dieses Spannungsverhältnis entwickelte Lorenzo Pompa Allegorien biomorpher Körper, die nach den Gesetzen ihrer menschlichen Psyche zu handeln scheinen.
Der Titel MORE & BETTER LIES spielt auf den wachsenden Überschuss an Informationsquellen an, der die vermeintlich klare Linie zwischen Wahrem und Falschem zur ausgedehnten Grauzone verwandelt. Setzte er die „Szenen“ seiner Bilder in der vergangenen Ausstellung 2023 bühnenhaft ins Bild, so weitet Pompa jetzt den Blick in die Ebene, in Landschaften, die einen weiten Himmel eröffnen. Aber auch diese Landschaften sind eher Einebnungen, Ebenen, in die der Mensch seine Handlungen eingeschrieben hat.
Der gesamte Ausstellungsraum wird erneut zur Installation, wo ein großformatiges Gemälde in den Raum gebaut ist, mit den Arbeiten an den Wänden und den drei Skulpturen korrespondiert und einen Blick auf beide seiner Seiten zulässt. Die Rückseite, deren Bild den Betrachtenden zugewandt ist, kann als Wand und gleichzeitig als Tor wahrgenommen werden. So geraten wir in einen Zustand, in dem die Neugierde uns überkommt und wir den Drang verspüren, durch das Bild hindurch zu sehen, noch bevor wir es umrundet haben.
Die Beschäftigung mit den Arbeiten von Lorenzo Pompa schärft die Sinne. Seine einzigartige und völlig singuläre künstlerische Position erwartet Empathie und ist ohne Kenntnis der Geschichte nicht wirklich entschlüsselbar. In Pompas Arbeiten wird Geschichte verarbeitet, Ereignisse der Vergangenheit mit denen der Gegenwart verschränkt. Aber seine künstlerische Sprache ist von heute, aus der Jetztzeit. Nicht selten erinnert seine Ästhetik an die von Computerspielen. Gleichzeitig ist sie aber auch auf eine unbestimmbare Weise zeitlos. Man denkt unwillkürlich an Giotto oder Philip Gustons figürliche Gemälde der 60er und späteren Jahre. An beide zur gleichen Zeit. Die trennenden 600 Jahre fallen dabei nicht ins Gewicht, denn wie in der griechischen Mythologie werden die großen Menschheitsthemen zum Anlass genommen, zu versuchen, hinter die menschliche Psychologie zu kommen. Insofern sind Lorenzo Pompas Arbeiten auch politisch, gerade auch deswegen, weil sie nicht illustrativ oder narrativ sind. Sie loten die Möglichkeiten der Kunst aus und stellen unter Beweis, dass diese unerschöpflich sind.