Fernando de Brito

Geboren 1956 in Portugal, lebt und arbeitet in Hamburg

SLR_ANONYMOUS R_(rot) 2013–2015
Kugelschreiber auf Karton 300 gr
50 x 65 cm (gerahmt mit Museumsglas)

Fernando de Brito

Geboren 1956 in Portugal, lebt und arbeitet in Hamburg

Fernando de Brito

Curriculum Vitae

1956 Born in Portugal
1968 Move to Hamburg, Germany
1974 Werkkunstschule Hamburg
1976 Hochschule für Bildende Kunst, Hamburg
1980 Assistent to Giuseppe Bertolazzi, Genova / ITALY
1982 Assistent to Kenneth Noland, New York / USA
1983 Establishment Atelier Fernando De Brito, Hamburg
1986 1. Price Sphinx, Polaroid-Works, Schwitzerland
2010 Lehrauftrag AMD, Hamburg
2012–2015 Lehrauftrag HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg

Grants and awards

Solo & Group Exhibitions (selection)

2019 SUNT LACRIMAE RERUM, Van dre Grinten Galerie, Cologne / DE
2018 CAROID. Marquesas, Clans und NObilitas, Galerie Carolyn Heinz, Hamburg, DE
2017 PORTRAIT OF AN ARTIST (with Marcus Neufanger), Van der Grinten Galerie, Cologne
2016 NOLI ME TANGERE, Zeichnungsräume II – Positionen zeitgenössischer Graphik/ Kunsthalle Hamburg / DE
'Papierverliebt', group show, Carolyn Heinz, Berlin / DE
'über(s)malen', X-Pon ART, Hamburg
2015 'SMART', Marina WOlf, Milano / IT
'Ebenda', Heinz Kramer, Hamburg
2014 DE BRITO/SAYLORS, Oel-Früh Cabinet, Hamburg
'Italianità', Il garage Art Gallery, Pari/Grossetto / IT
'ABC-Project', Collaboration Barbara Zerner, Spiegelberger Stiftung Hamburg
'Knoling', Barbara Claasen-Schmahl Galerie für Gegenwartskunst, Bremen / DE
'Beckett', Felix Jud Kunsthandel, Hamburg, kuratiert Dr. Gaby Hartel
2013 'Wo entsteht Kunst', Kunsthaus Hamburg / DE
2012 'Blond Tabloid', Galerie Hermann Bremer, Kassel / DE
'Bild vs. Literatur', Stadtgalerie Lauenburg, Hamburg / DE
2011 'drawn to drawn', Galerie Carolyn Heinz, Hamburg
2010 Artist Books, White Trash Contemporary, Hamburg

Group Exhibitions (selected)

Group Show

TRANSFORMATIONEN: MATERIAL & AUFLÖSUNG

Wolfgang Flad, Robert Currie, Fernando de Brito, Elger Esser, Pierre Faure, Rikako Kawauchi, Lorenzo Pompa, Rebecca Stevenson, Joseph Beuys

June 17, 2023

 — 

August 5, 2023

Wie der Titel bereits anklingen lässt, geht es um das alchemistische Moment in der Kunst. Vielleicht kann man es als Punkt der Aufladung bezeichnen, wo aus der leblosen, unscheinbaren Materie etwas entsteht, was kostbar, faszinierend, kraftvoll, einzigartig ist und dieses Element mit Absicht im Werk wahrnehmbar bleibt. Vielleicht um ein Staunen hervorzurufen, ein Zögern und Wittern, das die Betrachtenden in einen aktiven Akt des Dialoges mit dem Werk und seiner Ausstrahlung versetzt.

Die Ausstellung „Transformationen: Material & Auflösung“ vereint Werke von 11 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, in denen Materialtransformationen eine zum Teil grundlegende Rolle spielen. Dabei begegnen uns Staub, Wachs, Papier, Nylon, Kunstharz, Spiegel, Silber, Glas, Tinte, Grafit und Gips.

Joseph Beuys (1921-1986) als Repräsentant der Nachkriegs-Avantgarde zählt zu den unbestritten einflussreichsten Künstlern, dessen Verständnis von Material (auch in alchemistischer Hinsicht) selbst vor dem Einsatz des eigenen Körpers nicht halt machte. In der Ausstellung zeigen wir 6 ganz stille, behutsame Frottage-Zeichnungen, die Mitte der 50er Jahre im Zusammenhang mit seinem Zinkrelief „Vor der Geburt“ entstanden sind. 

Die dreidimensionalen Werke der japanischen Malerin Rikako Kawauchi (*1990, lebt in Tokyo) sind aus Harz gegossene, fleischfarbene, schlauchartige Strukturen, die an organisch gewachsene Gebilde erinnern und trotz aller Abstraktion einen drastischen Realismus ausstrahlen.

Von Wolfgang Flad (*1974, lebt in Berlin) werden Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen gezeigt: Abstrakte Aluminiumreliefe, die zwischen der hochglanzpolierten Oberfläche und der grob porösen Textur der  unterschiedlich tiefen Einschläge oszillieren, farbig verspiegelte Wandarbeiten aus dem Zyklus ‚Dark Side of the Moon‘ und jüngste großformatige abstrakte Tableaus, deren unregelmäßige, sandige Oberfläche aus dem gesammelten Staub und den Sägespänen seines Atelierbodens gewonnen wird, farbig veredelt und transformiert.

Durch das malerische Übertragen einer fotografischen Vorlage auf eine Vielzahl dicht gespannter aber gegeneinander versetzter Nylonfäden schafft Robert Currie (*1976, lebt in London) dreidimensionale, optisch extrem suggestive und gleichzeitig immateriell erscheinende Wandarbeiten. Im Gegensatz dazu wirken seine abstrakten Arbeiten wie schemenhafte schwarze Spiegel.

Elger Esser (*1967, lebt in Düsseldorf) zeigt zwei kleinformatige Nachtlandschaften, in denen sich die schwarzen Silhouetten von Baumwipfeln im Gegenlicht des Mondes vor einem nächtlichen Himmel abzeichnen. Durch die besondere Technik des direkten Pigmentdrucks auf versilberte Kupferplatten wird das magische Gefühl wiedergegeben, in dem der Blick in tiefster Nacht die wenigen Lichtquelle wahrnimmt, um Räumlichkeit und Orientierung zu finden.

Die schwarz-weißen Fotografien von Pierre Faure (*1965, lebt in Paris) überraschen durch die extreme und subtile Verfremdung, die durch das Kippen der Perspektive, den kühn gewählten Ausschnitt und die Reduktion auf rein geometrische Strukturen den Blick auf Baugerüste völlig neu definiert.  

Mit mehr oder weniger spitzen Gegenständen ritzt Fernando de Brito (*1956, lebt in Hamburg) in die Schichten aus Öl und Tempera auf dem MDF-Träger, um abstrakte Gemälde aus einem Geflecht aus Linien zu schaffen. Das Oszillieren zwischen den teils streng angeordneten, vertikalen Linien und den freigezeichneten horizontalen scheint jede Komposition zum Pulsieren und Atmen zu bringen.

Der Niederländer Bas de Wit (*1977, lebt in Maastricht) verwandelt Abgüsse alter Skulpturen aus der Kunstgeschichte, von denen er neue, gröbere Abformungen macht, die er wiederum nochmal in farbigen Harzschichten ausgießt. Der Prozess lässt viel Raum für zufällige und kalkulierte Deformationen, so dass die neu entstandenen Skulpturen am Ende nur noch Reminiszenzen ihrer Vorbilder sind, von denen sie sich in Etappen emanzipiert haben, um ihr Eigenleben zu behaupten.

Wachs, das in der Kunstgeschichte wegen seiner Handhabbarkeit im angewandten Bereich oder für die Entwurfsstadien geplanter Skulpturen zum Einsatz kam, benutzt Rebecca Stevenson (*1971, lebt in London) im Gegensatz zum Hyperrealismus der 60er oder 90er Jahre für skulpturale Paraphrasen auf die Abbildung der Realität, die sich in ihren poetisch-makabren Allegorien wiederfindet. 

Neben den stets extrem farbigen Figurenallegorien in den Gemälden von Lorenzo Pompa (*1962, lebt in Düsseldorf) erscheinen immer wieder und wie im ständigen Dialog schwarz-silberne abstrakte Bilder, die die Ölfarbe in eine Minimal-Gestik drängen und je nach Größe zu fast grenzenlosen Texturen wachsen. In der Ausstellung wird die jüngste dieser Arbeiten hängen.

Michael Wittassek (*1958, lebt bei Köln) schließlich arbeitet überwiegend installativ mit Skulpturen aus gefalteten und gestauchten Bögen belichteter Fotopapiere. Wir zeigen aber mittelformatige schwarze Spiegelobjekte, die den ganzen Umraum und die Betrachtenden selbst in ihre spiegelnde konvexe Oberfläche einzusaugen scheinen. 

Group Show

TRANSFORMATIONEN: MATERIAL & AUFLÖSUNG

Wolfgang Flad, Robert Currie, Fernando de Brito, Elger Esser, Pierre Faure, Rikako Kawauchi, Lorenzo Pompa, Rebecca Stevenson, Joseph Beuys

June 17, 2023

 — 

August 5, 2023

Wie der Titel bereits anklingen lässt, geht es um das alchemistische Moment in der Kunst. Vielleicht kann man es als Punkt der Aufladung bezeichnen, wo aus der leblosen, unscheinbaren Materie etwas entsteht, was kostbar, faszinierend, kraftvoll, einzigartig ist und dieses Element mit Absicht im Werk wahrnehmbar bleibt. Vielleicht um ein Staunen hervorzurufen, ein Zögern und Wittern, das die Betrachtenden in einen aktiven Akt des Dialoges mit dem Werk und seiner Ausstrahlung versetzt.

Die Ausstellung „Transformationen: Material & Auflösung“ vereint Werke von 11 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, in denen Materialtransformationen eine zum Teil grundlegende Rolle spielen. Dabei begegnen uns Staub, Wachs, Papier, Nylon, Kunstharz, Spiegel, Silber, Glas, Tinte, Grafit und Gips.

Joseph Beuys (1921-1986) als Repräsentant der Nachkriegs-Avantgarde zählt zu den unbestritten einflussreichsten Künstlern, dessen Verständnis von Material (auch in alchemistischer Hinsicht) selbst vor dem Einsatz des eigenen Körpers nicht halt machte. In der Ausstellung zeigen wir 6 ganz stille, behutsame Frottage-Zeichnungen, die Mitte der 50er Jahre im Zusammenhang mit seinem Zinkrelief „Vor der Geburt“ entstanden sind. 

Die dreidimensionalen Werke der japanischen Malerin Rikako Kawauchi (*1990, lebt in Tokyo) sind aus Harz gegossene, fleischfarbene, schlauchartige Strukturen, die an organisch gewachsene Gebilde erinnern und trotz aller Abstraktion einen drastischen Realismus ausstrahlen.

Von Wolfgang Flad (*1974, lebt in Berlin) werden Arbeiten aus verschiedenen Werkgruppen gezeigt: Abstrakte Aluminiumreliefe, die zwischen der hochglanzpolierten Oberfläche und der grob porösen Textur der  unterschiedlich tiefen Einschläge oszillieren, farbig verspiegelte Wandarbeiten aus dem Zyklus ‚Dark Side of the Moon‘ und jüngste großformatige abstrakte Tableaus, deren unregelmäßige, sandige Oberfläche aus dem gesammelten Staub und den Sägespänen seines Atelierbodens gewonnen wird, farbig veredelt und transformiert.

Durch das malerische Übertragen einer fotografischen Vorlage auf eine Vielzahl dicht gespannter aber gegeneinander versetzter Nylonfäden schafft Robert Currie (*1976, lebt in London) dreidimensionale, optisch extrem suggestive und gleichzeitig immateriell erscheinende Wandarbeiten. Im Gegensatz dazu wirken seine abstrakten Arbeiten wie schemenhafte schwarze Spiegel.

Elger Esser (*1967, lebt in Düsseldorf) zeigt zwei kleinformatige Nachtlandschaften, in denen sich die schwarzen Silhouetten von Baumwipfeln im Gegenlicht des Mondes vor einem nächtlichen Himmel abzeichnen. Durch die besondere Technik des direkten Pigmentdrucks auf versilberte Kupferplatten wird das magische Gefühl wiedergegeben, in dem der Blick in tiefster Nacht die wenigen Lichtquelle wahrnimmt, um Räumlichkeit und Orientierung zu finden.

Die schwarz-weißen Fotografien von Pierre Faure (*1965, lebt in Paris) überraschen durch die extreme und subtile Verfremdung, die durch das Kippen der Perspektive, den kühn gewählten Ausschnitt und die Reduktion auf rein geometrische Strukturen den Blick auf Baugerüste völlig neu definiert.  

Mit mehr oder weniger spitzen Gegenständen ritzt Fernando de Brito (*1956, lebt in Hamburg) in die Schichten aus Öl und Tempera auf dem MDF-Träger, um abstrakte Gemälde aus einem Geflecht aus Linien zu schaffen. Das Oszillieren zwischen den teils streng angeordneten, vertikalen Linien und den freigezeichneten horizontalen scheint jede Komposition zum Pulsieren und Atmen zu bringen.

Der Niederländer Bas de Wit (*1977, lebt in Maastricht) verwandelt Abgüsse alter Skulpturen aus der Kunstgeschichte, von denen er neue, gröbere Abformungen macht, die er wiederum nochmal in farbigen Harzschichten ausgießt. Der Prozess lässt viel Raum für zufällige und kalkulierte Deformationen, so dass die neu entstandenen Skulpturen am Ende nur noch Reminiszenzen ihrer Vorbilder sind, von denen sie sich in Etappen emanzipiert haben, um ihr Eigenleben zu behaupten.

Wachs, das in der Kunstgeschichte wegen seiner Handhabbarkeit im angewandten Bereich oder für die Entwurfsstadien geplanter Skulpturen zum Einsatz kam, benutzt Rebecca Stevenson (*1971, lebt in London) im Gegensatz zum Hyperrealismus der 60er oder 90er Jahre für skulpturale Paraphrasen auf die Abbildung der Realität, die sich in ihren poetisch-makabren Allegorien wiederfindet. 

Neben den stets extrem farbigen Figurenallegorien in den Gemälden von Lorenzo Pompa (*1962, lebt in Düsseldorf) erscheinen immer wieder und wie im ständigen Dialog schwarz-silberne abstrakte Bilder, die die Ölfarbe in eine Minimal-Gestik drängen und je nach Größe zu fast grenzenlosen Texturen wachsen. In der Ausstellung wird die jüngste dieser Arbeiten hängen.

Michael Wittassek (*1958, lebt bei Köln) schließlich arbeitet überwiegend installativ mit Skulpturen aus gefalteten und gestauchten Bögen belichteter Fotopapiere. Wir zeigen aber mittelformatige schwarze Spiegelobjekte, die den ganzen Umraum und die Betrachtenden selbst in ihre spiegelnde konvexe Oberfläche einzusaugen scheinen. 

Fernando de Brito

SUNT LACRIMAE RERUM

April 11, 2019

 — 

June 8, 2019

Feine wellenförmige Kratzer ziehen sich durch die matten Farbfelder. Die hochformatigen Bildträger sind fast zur Gänze von der wogenden Masse eines Meeres aus eingeritzten Linien überzogen. Nur ein schmaler Streifen am oberen Rand bleibt frei und gibt dem Blick halt. Fast könnte es ein Horizont sein, ein Stück Himmel über einem Wasser, das geradezu taktile Qualitäten besitzt. Würden wir mit der Hand über das Bild streichen wäre jede einzelne Woge zu erspüren – feine Verletzungen der Bildoberfläche, die auf abstrakte Weise eine Geschichte zu erzählen scheinen. Vom Bildaufbau ausgehend, muss es eine tiefgehende Geschichte sein, eine, die davon berichtet, wie das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse steht.

SUNT LACRIMAE RERUM – der Ursprung der lateinischen Redewendung basiert auf dem Schicksal des Aeneas, der seinen Vater aus dem brennenden Troja rettet und nach der erfolgreichen Flucht Rom gründen wird. Als der trojanische Held eines Tages ein Wandbild seiner zerstörten Heimatstadt sieht, stürzt ihm eine Tränenflut in die Augen und es fällt eines der gewaltigsten Worte der Antike: SUNT LACRIMAE RERUM – DIE WELT IST VOLLER TRÄNEN. Tränen, die so salzig sind wie das Meer und immer von einem leidgetränkten Schicksal erzählen. Ophelia ist solch ein Schicksal. Sie sucht – als Hamlet sie in seinem Wahnsinn verschmäht – den Tod durch Ertrinken und wird im 19. Jahrhundert vielfach gemalt. Mit dem Wandel der Zeiten wandeln sich allerdings die Mengenverhältnisse und vor allem die Kontexte. Wie sehen wir Abbildungen von Wasser heute? Selbst wenn sie – wie bei Fernando de Brito – menschenleer sind, drängen sich Bilder auf. Evoziert durch die heutige Datenflut haben wir eher die sogenannte Flüchtlingswelle und all die Schicksale derer vor Augen, die in den Tiefen des Meeres zurückbleiben. Aus dem individuellen Schicksal wird in einer vernetzten Welt das Schicksal von vielen. Dabei könnte das Tränenmeer genauso ein Bild für das Untergehen in den eigenen Emotionen sein und uns zurück zu uns selbst führen.

Das intime Format der bewusst klein gewählten Werke begünstigt genau diesen Moment der Zwiesprache zwischen Bild und Betrachter. Statt reißerischer Szenarien geht es hier um leise Stimmen. Die Poesie des Rätsels und ein intuitives Verstehen begleiten die Bilder. Wir können uns von ihnen berührt fühlen, ohne genau zu wissen warum. Ist es die Farbe, die eine Empfindung auslöst, ist es die abstrakte Formgebung, die etwa zum Klingen bringt? Oder ist es die Poesie, die durch die Bild-Text-Verschränkung entsteht? Den Ausstellungstitel begleiten Bildtitel wie AUGUSTA, POZZALLO, MAHDIA, SFAX, SOUSSE. Sie klingen fremd und doch bekannt. Alle sind sie der Beginn einer Reise – des Aufbruchs ins Unbekannte. Manche dieser Reisen enden im Nirgendwo, andere an fernen Orten. Die Decodierung bleibt beim Betrachter, der Künstler gibt Hinweise, ohne konkret zu werden.

Offensichtlich ist nur, dass die Bilder das Nachdenken darüber verbildlichen, wie sich Geschichten abbilden lassen, ohne sie zu erzählen. Denn intensiver als ein Bericht wird immer die eigene Imagination bleiben. Gerade zwischen den Zeilen, in diesem Fall zwischen den Linien, steht oft mehr, als tausend Wörter sagen könnten. Weil wir diese Zwischenräume oder Leerstellen mit eigenen Projektionen, Gedanken und Gefühlen füllen. Was ihnen eine Lebendigkeit und Intensität verleiht, die eben nicht durch Begriffe begrenzt, sondern so weit wie das Meer selbst ist.

Fernando de Brito

SUNT LACRIMAE RERUM

April 11, 2019

 — 

June 8, 2019

Feine wellenförmige Kratzer ziehen sich durch die matten Farbfelder. Die hochformatigen Bildträger sind fast zur Gänze von der wogenden Masse eines Meeres aus eingeritzten Linien überzogen. Nur ein schmaler Streifen am oberen Rand bleibt frei und gibt dem Blick halt. Fast könnte es ein Horizont sein, ein Stück Himmel über einem Wasser, das geradezu taktile Qualitäten besitzt. Würden wir mit der Hand über das Bild streichen wäre jede einzelne Woge zu erspüren – feine Verletzungen der Bildoberfläche, die auf abstrakte Weise eine Geschichte zu erzählen scheinen. Vom Bildaufbau ausgehend, muss es eine tiefgehende Geschichte sein, eine, die davon berichtet, wie das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse steht.

SUNT LACRIMAE RERUM – der Ursprung der lateinischen Redewendung basiert auf dem Schicksal des Aeneas, der seinen Vater aus dem brennenden Troja rettet und nach der erfolgreichen Flucht Rom gründen wird. Als der trojanische Held eines Tages ein Wandbild seiner zerstörten Heimatstadt sieht, stürzt ihm eine Tränenflut in die Augen und es fällt eines der gewaltigsten Worte der Antike: SUNT LACRIMAE RERUM – DIE WELT IST VOLLER TRÄNEN. Tränen, die so salzig sind wie das Meer und immer von einem leidgetränkten Schicksal erzählen. Ophelia ist solch ein Schicksal. Sie sucht – als Hamlet sie in seinem Wahnsinn verschmäht – den Tod durch Ertrinken und wird im 19. Jahrhundert vielfach gemalt. Mit dem Wandel der Zeiten wandeln sich allerdings die Mengenverhältnisse und vor allem die Kontexte. Wie sehen wir Abbildungen von Wasser heute? Selbst wenn sie – wie bei Fernando de Brito – menschenleer sind, drängen sich Bilder auf. Evoziert durch die heutige Datenflut haben wir eher die sogenannte Flüchtlingswelle und all die Schicksale derer vor Augen, die in den Tiefen des Meeres zurückbleiben. Aus dem individuellen Schicksal wird in einer vernetzten Welt das Schicksal von vielen. Dabei könnte das Tränenmeer genauso ein Bild für das Untergehen in den eigenen Emotionen sein und uns zurück zu uns selbst führen.

Das intime Format der bewusst klein gewählten Werke begünstigt genau diesen Moment der Zwiesprache zwischen Bild und Betrachter. Statt reißerischer Szenarien geht es hier um leise Stimmen. Die Poesie des Rätsels und ein intuitives Verstehen begleiten die Bilder. Wir können uns von ihnen berührt fühlen, ohne genau zu wissen warum. Ist es die Farbe, die eine Empfindung auslöst, ist es die abstrakte Formgebung, die etwa zum Klingen bringt? Oder ist es die Poesie, die durch die Bild-Text-Verschränkung entsteht? Den Ausstellungstitel begleiten Bildtitel wie AUGUSTA, POZZALLO, MAHDIA, SFAX, SOUSSE. Sie klingen fremd und doch bekannt. Alle sind sie der Beginn einer Reise – des Aufbruchs ins Unbekannte. Manche dieser Reisen enden im Nirgendwo, andere an fernen Orten. Die Decodierung bleibt beim Betrachter, der Künstler gibt Hinweise, ohne konkret zu werden.

Offensichtlich ist nur, dass die Bilder das Nachdenken darüber verbildlichen, wie sich Geschichten abbilden lassen, ohne sie zu erzählen. Denn intensiver als ein Bericht wird immer die eigene Imagination bleiben. Gerade zwischen den Zeilen, in diesem Fall zwischen den Linien, steht oft mehr, als tausend Wörter sagen könnten. Weil wir diese Zwischenräume oder Leerstellen mit eigenen Projektionen, Gedanken und Gefühlen füllen. Was ihnen eine Lebendigkeit und Intensität verleiht, die eben nicht durch Begriffe begrenzt, sondern so weit wie das Meer selbst ist.

Marcus Neufanger, Fernando de Brito

Portrait of an Artists

January 21, 2017

 — 

February 25, 2017

Fernando de Brito (*1956 , lebt in Hamburg) und Marcus Neufanger (*1964, lebt in Schwäbisch Hall) setzen sich intensiv mit dem Möglichkeiten auseinander, Künstlerpersönlichkeiten zu portraitieren, das heißt, sich künstlerisch in ein Verhältnis zu deren Ausstrahlung, ihrer Bedeutung und dem Wesen ihres Werkes zu setzen. Dabei könnten die Ansätze beider Künstler unterschiedlicher nicht sein. Dieses Spannungsverhältnis untersucht die Ausstellung PORTRAIT OF AN ARTIST, die die van der Grinten Galerie im Januar zeigt und zu deren Eröffnung am Freitag, den 20.01. um 18h wir Sie herzlich einladen.

Fernando de Brito, der an der Hochschule der Bildenden Künste in Hamburg studierte und danach unter anderem 1982 Assistent von Kenneth Noland in New York war, widmet einen Bereich seiner vielseitigen künstlerischen Arbeit „seismografischen“ zum Teil großformatigen Kugelschreiberzeichnungen, die eine Innenwelt offenbaren, wo sich Künstler und Künstler begegnen. Es sind Bilder von hoher sensibler Verdichtung. Die zunächst parallel angelegten Linien scheinen den Moment ihres Ausschlages, ihres Pulses selbst bestimmt zu haben, so lebendig, vibrierend und doch einer inneren Ordnung folgend verlaufen sie über das Papier und bilden eine feine, gewebeartige Struktur, die den Bildraum öffnet oder vertieft. De Brito begegnet Samuel Beckett, Morton Feldman, Elias Canetti oder Eva Strittmatter, und jedes dieser Portraits ist wie ein Kosmos aus der Summe der Facetten der Persönlichkeit, die es darstellt. Neben diesen überwiegend neuen Arbeiten zeigen wir einige Künstlerbücher von Fernando de Brito.

Marcus Neufanger, Fernando de Brito

Portrait of an Artists

January 21, 2017

 — 

February 25, 2017

Fernando de Brito (*1956 , lebt in Hamburg) und Marcus Neufanger (*1964, lebt in Schwäbisch Hall) setzen sich intensiv mit dem Möglichkeiten auseinander, Künstlerpersönlichkeiten zu portraitieren, das heißt, sich künstlerisch in ein Verhältnis zu deren Ausstrahlung, ihrer Bedeutung und dem Wesen ihres Werkes zu setzen. Dabei könnten die Ansätze beider Künstler unterschiedlicher nicht sein. Dieses Spannungsverhältnis untersucht die Ausstellung PORTRAIT OF AN ARTIST, die die van der Grinten Galerie im Januar zeigt und zu deren Eröffnung am Freitag, den 20.01. um 18h wir Sie herzlich einladen.

Fernando de Brito, der an der Hochschule der Bildenden Künste in Hamburg studierte und danach unter anderem 1982 Assistent von Kenneth Noland in New York war, widmet einen Bereich seiner vielseitigen künstlerischen Arbeit „seismografischen“ zum Teil großformatigen Kugelschreiberzeichnungen, die eine Innenwelt offenbaren, wo sich Künstler und Künstler begegnen. Es sind Bilder von hoher sensibler Verdichtung. Die zunächst parallel angelegten Linien scheinen den Moment ihres Ausschlages, ihres Pulses selbst bestimmt zu haben, so lebendig, vibrierend und doch einer inneren Ordnung folgend verlaufen sie über das Papier und bilden eine feine, gewebeartige Struktur, die den Bildraum öffnet oder vertieft. De Brito begegnet Samuel Beckett, Morton Feldman, Elias Canetti oder Eva Strittmatter, und jedes dieser Portraits ist wie ein Kosmos aus der Summe der Facetten der Persönlichkeit, die es darstellt. Neben diesen überwiegend neuen Arbeiten zeigen wir einige Künstlerbücher von Fernando de Brito.

Video abspielen

Entstehung des temporären Kunstwerkes »noli me tangere II«

Ausstellung »Zeichnungsräume II«, Hamburger Kunsthalle

Video abspielen

Open Studio Hamburg

Video, 202, 5'28