Karl Hugo Schmölz‘ fotografisches Werk der 50er Jahre bildet in bedeutender Weise jenen Zeitraum der Deutschen Geschichte ab, den man gemeinhin als Nachkriegsmoderne bezeichnet, hier natürlich bezogen auf das Rheinland, das Schmölz‘ bevorzugte Wirkungsstätte war. Die durch die Zerstörung des 2. Weltkrieges tief gezeichneten Städte harrten nach dem Krieg ihrer Wiederbelebung, ihrer architektonischen und städtebaulichen Neuorientierung. Lange Zeit unter den sogenannten Kennern als nichts sagend und im schlimmsten Fall sogar als muffig geschmäht, erhebt sich nun seit einigen Jahren die Architektur der 50er Jahre aus diesem Dunstschleier der Fehleinschätzung und glänzt im Spiegel ihres schlichten, oftmals zur Bescheidenheit neigenden Stilbewusstseins.
Es liegt in der Natur der – ich möchte sagen schwierigen und durch die Deutsche Geschichte des 3. Reiches mit schwerwiegenden negativen Folgen belasteten – Sache, dass auch die Deutsche Nachkriegsarchitektur ein disperates Bild abgibt. Einerseits war der Modernismus beispielsweise des Bauhaus verfehmt gewesen und die meisten bedeutenden Architekten in Folge dessen vertrieben und verfolgt, so dass Anknüpfungspunkte daran nach dem Krieg schwer festzumachen waren. Zum anderen gab es die Traditionalisten, die häufig bereits das 3. Reich architektonisch geprägt hatten und die sich – erstaunlich genug – je nach Intensität des Ausnutzens ihrer alten Verbindungen nun wieder bester Auftragslage erfreuen durften, was beispielsweise zum Düsseldorfer Architektenstreit führte, den sie zunächst für sich entschieden. Schließlich gab es da noch die Architekten, die wenig oder kaum belastet waren durch ein Engagement unter den Nationalsozialisten und die sich – gesellschaftlich und politisch orientiert – dem eigentlichen Begriff der Nachkriegsmoderne verschrieben. Zu ihnen zählen Rudolf Schwarz, dem wir zum Beispiel das prägnante Gebäude des heutigen Museums für Angewandte Kunst verdanken, Wilhem Riphahn, von dem zahlreiche Bauwerke das heutige Köln prägen, oder Peter Friedrich Schneider, der das Funkhaus am Wallrafplatz erbaute, das zu einem meiner persönlichen Lieblingen zählt.
Köln hat, so scheint es doch, mit dieser Etappe seiner Vergangenheit noch immer sehr gehadert. Die Architekturfotografien von Karl Hugo Schmölz allerdings machen alle Zweifel vergessen.
Schmölz zukünftige Laufbahn als Fotograf scheint durch seine Biografie vorbestimmt. Bereits mit 17 Jahren trat er in das Fotoatelier seines Vaters Hugo ein, der sich seit den 20er Jahren ganz auf Architektur und Innenarchitektur spezialisiert hatte und dadurch so geschätzt und gefragt war, dass er mit der fotografischen Dokumentation vieler der großen Bauvorhaben jener Zeit beauftragt wurde. Daneben arbeitete er eng mit dem Architekten Dominikus Böhm zusammen, wodurch der junge Karl Hugo unmittelbar erleben konnte, wie kongenial Architekt und Fotograf zusammenarbeiten konnten, wenn es darum ging, Innenräume in all ihren Details, im Ausmodellieren der Lichtführung und in der kompositorischen Feinabstimmung zu portraitieren, so dass die Aufnahme für sich ein vergleichbares Erlebnis wie das Begehen des eigentlichen Raumes sein konnte. Durch seinen Vater lerne Karl Hugo auch, was zu einem seiner, an Perfektion nicht zu überbietenden Charakteristika werden sollte: die Aufhebung der Tiefenstaffelung durch lange Belichtungszeiten und die Addition der vorhandenen Lichtqualitäten zu einem atmosphärischen Gesamterleben. Als Hugo im Jahre 1938 verstarb, setzte Karl Hugo dessen Arbeit unter dem Namen der Fotowerkstätte fort und führte alle Aufträge, nur unterbrochen durch seine Kriegseinsätze, in höchster Perfektion und im Stile seines Vaters aus. Er hatte das Prinzip von äußerstem Arbeitseinsatz erlernt und durch seinen Vater erfahren, dass es kein technisch-fotografisches Problem gab, das nicht zu lösen war. Diese Erfahrung war für seinen weiteren Werdegang elementar.
Auch Karl Hugo Schmölz profitierte im Nachkriegsköln von seinem exzellenten Namen, den man mit den besten bekannten Architekturaufnahmen verband, und so hat er viele der repräsentativen Neubauten, zum Teil vom Baubeginn an, fotografiert. Seine intensivste Beschäftigung mit der Architektur schließt die Jahre 1945 bis 1958 ein. Die Bilder, die hier in dieser wunderbaren Ausstellung vereint sind, stammen alle aus diesem Zeitraum. Schmölz verließ 1958 die familieneigene Fotowerkstätte und eröffnete im gleichen Jahr mit seiner frisch vermählten Gattin Walde Huth ein eigenes Studio für Möbel-& Werbefotografie, das bis zu seinem Tod 1986 bestand.
Die ersten originalen Fotografien von Karl Hugo Schmölz habe ich bewusst bei seiner Witwe Walde Huth wahrgenommen, und ich war von Anfang an vollkommen fasziniert von der Perfektion dieser Bilder. Aber worin liegt ihre Perfektion? Was macht sie so besonders oder anders als die vielen Architekturaufnahmen, die man aus den 50er Jahren kennt? Zunächst – würde ich sagen, und das klang vorhin schon an – ist es seine durchgehende, immer an höchsten technischen Maßstäben orientierte Einstellung zu Auftrag und Objekt. Ein Mensch wie Schmölz muss das zu fotografierende Gegenüber bis ins letzte Detail ernst genommen und durchdacht haben, und er fand – aus seiner frühen Erfahrung heraus – immer den exakt richtigen Blickpunkt, um den herum sich das Bild aufbauen konnte, so dass auch banalere Motive, die es selbstverständlich auch gibt, in der kühl analytisch-atmosphärischen Wiedergabe in ein anderes Licht gehüllt werden. Die Fotografie abstrahiert ja unwillkürlich durch das Schwarz/Weis, verleiht den Bildern grafische Qualitäten, die wir vor allen Dingen bei den Nachtaufnahmen von Schmölz so schätzen.
Aber Schmölz baut das Bild nicht nur grafisch und kompositorisch in seinem völlig ausbalancierten Auge auf, er erlaubt uns auch, als staunende Besucher in die Bilder einzudringen. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist die axiale, d.h. zentralperspektivische Aufnahme des Zuschauerraumes der Wuppertaler Oper, deren Sitzreihen von der ersten bis zur letzten auf den obersten Logen durchgehend scharf sind. Schmölz hatte dafür eine zwar aufwendige aber ebenso einfache wie geniale Methode: Im völlig abgedunkelten Innenraum und bei geöffneter Blende ließ er einen schwarz gekleideten Assistenten mit einer Stablampe in gemessenem Schritt durch die einzelnen Sitzreihen laufen. Dabei beleuchtete die Stablampe, die auf das polierte Holz oder das Metall der Sitze gerichtet war, jedes Objekt einzeln und räumlich, so dass es Reflexe in den ganzen Raum abgab. Die Wirkung ist frappant. Das Bild hat eine ungeheure Tiefe, obwohl es sich von ferne betrachtet aus Mustern von gleichmäßig hellen und dunkleren Partien zusammensetzt. Ähnliches erleben wir bei den Bildern mit den Kinositzen oder den Balkonen der Kölner Oper. Dadurch, dass das Auge der Kamera an jedem Punkt des Bildes gleichzeitig sein kann und ihn aufnimmt, erleben wir ein visuelles Ereignis, das unser bloßes Auge nicht in der Lage ist zu leisten.
Karl Hugo Schmölz wandte häufig Tricks wie die mit den Kinositzen an, vor allen Dingen bei Gegenlichtaufnahmen, in denen er die Fenster verhüllte und erst zum Ende einer Aufnahme, in der er einen Raum in allen Facetten durch das vorhandene und hinzugefügtes Licht festgehalten hatte, öffnete, um ganz kurz das Licht von außen hineinzulassen. So ist die gesandstrahlte vollflächige Glasfront des Funkhaus auf den Aufnahmen der Innenräume vollständig und in aller Reliefhaftigkeit zu sehen als gesandstrahlte Glasfront. Schmölz konnte Glas als Glas wiedergeben, poliertes Metall als poliertes Metall, Parkett als wahrhaftiges Holz, Stuck und Putz in pudriger Haptik und Stoffe in all ihren möglichen Texturen. Und Schmölz zeichnete noch etwas aus. Er fotografierte mit einem Stab an Mitarbeitern, die nicht selten unter seinem Drill litten, und erfüllte Aufträge am Tag wie in der Nacht. Und er musste mit dem Negativmaterial dabei äußerst ökonomisch umgehen, denn wenn man sich vorstellt, wie viel Zeit bespielsweise die Aufnahme der Kinositze in Anspruch genommen hatte, und dass dafür im besten Fall nur ein Glasplattennegativ vorgesehen war, dann musste jeder einzelne der Mitarbeiter auf den anderen vollständig eingespielt sein. Was damals als Arbeitsresultat herauskam, sehen wir heute verklärt. Aber seien wir ehrlich: es ist kaum möglich, sich von dem Zauber der sich nach oben schraubenden Treppenhäuser zu lösen, von der perfekten schwarz-weiss Aufteilung der Nachtaufnahmen und dem fast surrealen Zauber der Innenräume, und inzwischen ist das Interesse an seinen Arbeiten gewachsen. Immer häufiger werden Bilder für thematische Gruppenausstellungen angefragt oder in einer großen Retrospektive gezeigt wie im Landesmuseum Bonn 2012.
Und, um zurückzukommen zur Architektur:
Interessanterweise ist es Karl Hugo Schmölz, der die Fotografie immer in dienender Funktion gesehen hat, der uns aber nun durch seine Aufnahmen den Sinn für das Besondere der Architektur der 50er Jahre öffnet.
Franz van der Grinten, 2014