Afterlife, my 20th Century
22. November 2019

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1. Februar 2020

Seit 2013 vertritt die VAN DER GRINTEN GALERIE das Werk der 1949 geborenen New Yorker Künstlerin RUTH MARTEN und hat es durch mehrere Solo- und Gruppenausstellungen sowie auch durch Publikationen und Editionen präsentiert und gefördert. Die breite, sehr positive öffentliche Rezeption ihres Werkes durch die Retrospektive „Dream Lover“ im Max Ernst Museum des LVR vor einem Jahr in Brühl sowie die erfolgreiche Vermittlung In zahlreiche Privatsammlungen, Institutionen und Museen bestätigen unsere Bemühungen der letzten Jahren.

Afterlife, my 20th Century“ heißt die Ausstellung in der Van der Grinten Galerie, bei der dieser jüngste Werkblock vom 22. November 2019 bis zum 01. Februar 2020 erstmalig vorgestellt wird.

Bereits während der Eröffnung der für sie sehr wichtigen Werkschau über ihr bisheriges Lebenswerk in Brühl äußerte Ruth Marten den Wunsch, sich an einen neuen Werkzyklus setzen zu wollen. Keine druckgrafischen Blätter aus dem 18. und 19. Jahrhundert sollten ihr als Vorlagen für ihre Interventionen durch Zusatz von Zeichnung und Collage dienen, sondern alte Fotografien vom späten 19. Jahrhundert bis etwa Ende der 40er Jahre.

Diese neuen Arbeiten – zwischen Herbst 2018 und Sommer 2019 entstanden – fallen zunächst durch ihr großes Format auf (bis 70 x 90 cm). Anders als bei ihren bisher bekannten kleinformatigen Werken, die mit den druckgrafischen Eigenschaften spielten und sich daran anlehnten, beschäftigt sich Ruth Marten bei den jüngsten Werken mit den Möglichkeiten des Malerischen. Durch Übermalen von bestimmten Partien werden die gefundenen Originalabzüge überarbeitet, dupliziert, vergrößert und erneut malerisch verändert.

In Kisten liegen gar zu Tausenden alte Fotos namenloser Menschen, die das Geheimnis ihres Ursprungs nie verraten werden. Sie wurden um das Versprechen der Fotografie betrogen, die Zeit anzuhalten und den Tod zu überwinden. Tot und vergessen sind sie inzwischen alle, bis sie die Pinsel von Ruth Marten zu einem neuen Leben – ein ’Afterlife’ – wiedererwecken. Nach eigener Aussage wollte die Künstlerin das „Drama“ betonen. Fasziniert von dem Paradox zwischen den rührend so steifen Posen und dem Ernst der Figuren, die an ein ewiges Testament für die Nachwelt glaubten, und der traurigen Realität einer Vanitas, die uns alle innewohnt.

Durch ihre Eingriffe, das Verdecken und Verstecken durch neue, farbige Flächen, aber auch das Einfügen von eigens gemalten Elementen transformiert Ruth Marten die Vorlagen. Sie nimmt dabei zum Teil radikal so viel von den ursprünglich vorhandenen Bildinformationen weg, dass kaum etwas davon übrig bleibt. Die vielen neuen Leerflächen schaffen den Raum zum Neubeginn. Kompositionen und die Schwerpunkte im Bild werden komplett neu definiert, neue Lesewege geschaffen. Eine Chance, aus dem Nichts wiederaufzuerstehen und Bedeutung wiederzuerlangen: Bei Portraits verschwinden die Gesichter (Men’s FurnishingsElemental, Oracle…), bei Ganzkörperfotografien verschwinden ganze Teile der Körper und der ursprünglichen Umgebung, sowie teils auch die Köpfe (The Power of the Pearl, Blue Vessel). Übrig bleiben Menschen ohne Gesichter, Fenster ohne Aussicht, energiegeladene Gegenstände, Haare, Bärte und Augen, die von allem anderen vollkommen gelöst einfach so im Nichts des Blattes schweben. Viele Indizien für die aus früheren Werken bereits bekannten Obsessionen der Ruth Marten.

Überraschend anders und doch absolut typisch für ihr Universum ziehen die Werke den Betrachter erneut in eine geheimnisvolle Welt voller Rätsel hinein. Trotz des Humors, der auch ihr Markenzeichen ist, sät Ruth Marten einen ernsten, dunklen Unterton in diese poetischen Werke ein. Und lässt uns mit allen Interpretationsmöglichkeiten allein.